ÜBER DIE WEIHNACHTSGESCHICHTEAlle Jahre wieder
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Wenn es einen Gegenentwurf gibt gegen Wut und Hass, dann ist es die Weihnachtserzählung. Warum sie mehr als bloße Staffage ist.
Vor einigen Monaten kehrte im Zürcher Großmünster eine alte, längst überwunden geglaubte Zeit zurück. Die Wirkungsstätte Huldrych Zwinglis verwandelte sich in jenen bildmächtigen Raum zurück, dem der Deutschschweizer Reformator vor fünfhundert Jahren den Garaus gemacht hatte. Doch die farbenfrohen Heiligenfiguren, die Seitenaltäre, an denen Priester einst Messopfer um Messopfer darbrachten, und die weihrauchgeschwängerte Luft waren nur Kulisse. Für den Glauben, so lautet die radikale, in den Kirchen der zweiten Reformation bis heute verbindliche Botschaft, taugen Verdinglichungen und Versinnbildlichungen allenfalls als Staffage. Sie lenken vom Eigentlichen ab, der Gegenwart Gottes in seinem Wort.
Mit den Geschichten von der Geburt Jesu, die alle Jahre wieder gelesen, gespielt und besungen werden, verhält es sich strenggenommen nicht viel anders. Auch sie sind Staffage. In den ältesten Überlieferungsschichten, in denen von einem Judenerzählt wird, der von der römischen Besatzungsmacht hingerichtet wurde, aber über den Tod hinaus eine wunderbare Anziehungskraft entfaltete, findet sich keine Spur, die zu jenem sentimentalen Rührstück namens „Weihnacht“ führte, das auf der nördlichen Halbkugel der Erde gar nicht zufällig in die Wintersonnenwende fällt.
Für den Verfasser des Markus-Evangeliums begann das Wirken Jesu mit der Taufe im Jordan. Geburt, Kindheit und Jugend – mit Brüdern und Schwestern (!) –, all das war nicht einmal schmückendes Beiwerk. Um rückblickend zu erzählen, dass Gott diesen Menschen nicht im Tod gelassen, sondern sich schon in dessen Leben in unüberbietbarer Weise zu erkennen gegeben hatte, brauchte es weder Hirten im Feld noch himmlische Heerscharen.
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